Witalij Frese



LOCATION
berlin, germany 

INFO

1. runaway
glazed ceramic, 30 cm x 33 cm x 26 cm, 2020

2. schwanzgesteuert
glazed ceramic, 44 cm x 22 cm x 20 cm, 2020

3. erschöpfungx3
oil and acrylic on paper, 20 cm x 55 cm, 2019

4. blues
oil and acrylic on paper, 60 cm x 40 cm, 2020

INTERVIEW by Friedrich Fetzer

Hey Witalij, Danke für Deine Zeit. Bevor wir über Deine Arbeit sprechen, lass uns über das Studieren von Kunst reden. Kannst Du mir einen kurzen Überblick geben, wie Du dazu gekommen bist Kunst zu machen und wo Du was studiert hast?

Kunst war schon immer mein Lieblingsfach, was aber in der Kleinstadt, wo ich herkomme, nicht gefördert wurde und ich dachte dann auch nicht daran, dass ich unbedingt etwas mit Kunst machen möchte – eher etwas Soziales. Ich machte nach dem Abi ein FSJ in einer Psychiatrie und lernte dort den Fachbereich Kunsttherapie kennen, was für mich den perfekten Mix aus Kunst+Sozialem darstellte. Nach einem Jahr Kunsttherapiestudium in Ottersberg bei Bremen habe ich an die UdK Berlin gewechselt, wo ich 2019 meinen Meisterschüler absolvierte.

Was hast Du am meisten aus dem Studium mitgenommen: Kontakte zu anderen Künstlern? Das Kennenlernen und Lernen von den Dozenten?

In einem künstlerischen Studiengang hat man meistens einen intensiveren Kontakt zu seinen Kommiliton*innen als in anderen Studiengängen – also ja, definitiv nehme ich Kontakte zu ihnen als auch zu den Dozierenden mit!

Du hast an der UDK Deinen Master gemacht. Was sind Deine weiteren Schritte? Ich finde es interessant einen Einblick zu bekommen, was die nächsten Schritte und Chancen sind. Wie ist es kurz nach dem Abschluss eines Masters an einer renommierten Kunsthochschule auszuscheiden und auf sich gestellt zu sein?

Als erstes habe ich mich um einen Atelierarbeitsplatz gekümmert und dann habe ich einfach weitergearbeitet, Ausstellungen besucht, ausgestellt, weiter Ausschau nach Ausschreibungen gehalten... So wie du es sagst – man ist jetzt einfach auf sich allein gestellt!
Ich habe aber das Gefühl mehr Resonanz zu bekommen, z.B. in Hinblick auf Ausschreibungen. Ob das nun daran liegt, dass man fertig studiert hat oder die eigene Arbeit vielleicht doch an Reife gewonnen hat, weiß ich nicht?

Kommen wir zu Deiner Arbeit. Beginnen wir gerne mit Deinen Vasen. In der römischen und hellenistischen Zeit finden sich schon viele Motive, auch auf Vasen, die den damals als Knabenliebe bezeichneten homosexuellen Akt darstellen. Sind Deine Vasen von diesen alten Vasen inspiriert? Wann und warum hast Du begonnen Dich mit Keramik zu beschäftigen?

Vergangenheit und Tradition (auch der Kunstgeschichte) finden auf jeden Fall Eingang in meine Arbeit! Mich interessieren Geschichten, Mythen und die Formen, in die sie verpackt werden. Keramik bzw. Ton ist eins der traditionsreichsten Werkstoffe mit einer extrem langen Kunst- und Kulturgeschichte. Es muss die Menschheit schon immer fasziniert haben, mit seinen verschiedenen Eigenschaften, Weichheit, Härte, Nässe, Trockenheit, Wärme, Kälte, Glätte oder Sprödigkeit. Ich denke, indem man alte Herstellungstechniken nachvollzieht, bekommt man auch Verständnis für Geschichte und Tradition als Nachwirkung. Ich arbeite nun seit etwa 3 Jahren regelmäßig mit Keramik.

Bezüglich des  Arbeitsprozesses Deiner Vasen - Deine Vasen fahren mit einer direkten sexuellen Motivik. Wie lange brauchen sie bis sie hart sind?

:-)))

Du präsentiert Deine Vasen oft zusammen mit Deinen Bildern. Die Figuren der Bilder finden sich in den Vasen ebenfalls wieder. Vor allem in Persona harmonieren die Bilder, wie ich finde, ganz toll miteinander. Sie tauschen sich aus. Was reizt Dich an der Interaktion verschiedener Medien und Materialien?

Das freut mich, dass du sie in einem Zusammenhang siehst! Verschiedene Medien haben ihre spezifischen Schwerpunkte. So steht für mich in der Malerei natürlich die Farbe im Vordergrund und in der Keramik die Form. Auf beiden Bildträgern ist die Motivik ähnlich. Damit sind sie verbunden, und befinden sich in der Anordnung in einem Wechselspiel zwischen flach – plastisch, hart – weich, glatt – struktural,...


In einem Artikel über Dich von LES NOUVEAUX RICHES, las ich, dass Deine dargestellten Figuren keine Individuen darstellen, lediglich Hüllen oder Masken. Anonymität ist ein großes Thema, auch in einer Großstadt wie Berlin. Was kann eine anonyme Hülle / Maske, was ein Individuum nicht kann?

Eine Maske hat mehr Möglichkeiten als ein stabiles Individuum. Sie gibt Schutz, ist wandelbar, gibt Flexibilität und Variabilität, sie wirkt nach außen und nach innen, sie sucht nach Beziehung zur Außenwelt und zu sich selbst. Meine Figuren bieten Projektionsflächen für andere Individuen.

Sprechen wir von Mythen- und  Ikonenbildung. Heutzutage sind, vor allem durch Social Media, viele Künstler zu einer gewissen Transparenz gezwungen. Wie viele Vorteile diese Transparenz auch haben mag, scheint es mir, als schade diese Transparenz auch ein Stück weit dem Mythos eines Künstlers. Es wird mit offenen Karten gespielt und das geheimnisvolle, mysthische, was für den Aussenstehenden sehr spannend ist, geht verloren. Wie transparent bist Du im Umgang mit Deiner Kunst? Wo siehst Du die Vor-/Nachteile einer solchen Transparenz?

Ich halte mich ein wenig zurück, habe mir aber kürzlich darüber Gedanken gemacht, wie ich vielleicht Social Media weiter für mich verwenden möchte. Ich nutze es momentan vor allem als online Portfolio. Andere zeigen z.B. Dokumentationen über die Entstehung ihrer Kunstwerke, die Arbeit im Atelier, private Bilder, möchten politisch informieren und aktiveren oder machen Social Media Performance... Ich denke das hängt mit Postdigitalität zusammen. Bei vielen Künstler*innen gehört das Digitale, Social Media, das 'Internet state of mind' einfach dazu. Wenn es zu ihrer Arbeit passt, finde ich es stark. Im Internet dominiert jedoch oft einfach nur die Präsenz der Künstler*innen und nicht das Sein ihrer Kunst. Das finde ich nicht so spannend.

Mir gefällt es, wenn die eigene Kunst durch neue Kontexte z.B. Kunstgeschichte, Design, Alltag, Mensch, Kultur, Farbe, Tier, etc. erweitert wird. Vielleicht mache ich das jetzt, vielleicht wird’s dadurch auch 'transparenter'.